Das ICANN-Schlichtungsverfahren (UDRP) für generische Top Level Domains stellt nur eine Möglichkeit dar, wie mit Domainstreitigkeiten umgegangen werden kann, und es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass sich alle Domainregistrierungsstellen für diesen Weg entscheiden. So haben auch nur wenige länderbezogene Top Level Domains diesen Weg gewählt.
Der Beweggrund für die Einführung des ICANN-Schlichtungsverfahren war, dass man es bei generischen Top Level Domains wie .com, .net oder .org mit einem unter Umständen sehr komplexen internationalen Beziehungsverhältnis zwischen den beteiligten Parteien zu tun hat. Domaininhaber, Beschwerdeführer und Registrar können ihren Sitz in verschiedenen Ländern haben, dazu kommt noch die Registrierungsstelle, deren Sitz wiederum in einem vierten Land liegen kann. Dadurch kann es vorkommen, dass der Gerichtsstand in einem anderen Land als dem des Beschwerdeführers liegt, man sich dort einen weiteren Anwalt suchen und komplizierte Zustellungen veranlassen muss, die Gerichtsverhandlung in einer fremden Sprache geführt wird, etc. Selbst wenn alle diese Hindernisse überwunden sind und man ein Urteil in Händen hat, stellt sich anschließend eventuell das Problem, dieses Urteil in einem dritten Land zu vollstrecken. Die Bedürfnisse bei generischen Top Level Domains sind daher völlig andere als bei country code Top Level Domains wie .de.
Bei .de-Domains sind in vielen Fällen alle Beteiligten in Deutschland ansässig, es kann vor deutschen Gerichten geklagt werden, die Rechtsprechung erfolgt schnell und preisgünstig.
Die UDRP hat außerdem den Nachteil, dass sie nur bei Markenrechtsverletzungen und böswilliger Absicht des Domaininhabers zum Tragen kommt und es der unterlegenen Partei danach immer noch offen steht, den Rechtsweg zu beschreiten. Weiterhin hat bei der UDRP der Beschwerdeführer auch noch die Kosten des Verfahrens zu tragen, während bei einem Gerichtsverfahren in Deutschland die unterlegene Partei die Prozesskosten übernehmen muss.
Insofern gibt es also auch aus Sicht der Inhaber von Namens- oder Markenrechten keinen Grund, sich ein dem UDRP-Verfahren ähnliches Vorgehen auch für .de-Domains zu wünschen, da sie mit einem Gerichtsverfahren, kombiniert mit einem DISPUTE-Eintrag bei DENIC, die bessere, weil schnelle und kostengünstige Alternative bereits zur Hand haben.
Unabhängig davon steht es natürlich den Kontrahenten in einem Domainstreit frei, eine außergerichtliche Einigung anzustreben oder sich einem Schlichtungs- oder gar Schiedsverfahren zu unterwerfen.