Impulsgeber Internet: Das Betriebssystem der Gesellschaft
Erster Konferenztag der Fachtagung Domain pulse in Hamburg
Welche gesellschaftlichen Strukturen werden durch die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche in Frage gestellt? Wie verändert sich das Menschenbild und welche Fähigkeiten werden künftig in der immer stärker vernetzten Welt gefragt sein? Gelingt es, den offenen, dezentralisierten Charakter des Internets zu bewahren oder wird sich ein von oben kontrolliertes Netz durchsetzen? Welche Ideen und Innovationen stehen hinter den geplanten neuen Adressendungen wie .hamburg, .hiv oder .sap, wer profitiert davon und was erwartet die Nutzer im erweiterten Namensraum des World Wide Web? Thesen, Prognosen und Antworten auf diese und andere brandaktuelle Fragen lieferte der erste Tag des Fachkongresses Domain pulse, dessen neunte Auflage dieses Jahr in Hamburg stattfindet. Mehr als 350 Fachbesucher folgten den Vorträgen und Podiumsdiskussionen internationaler Experten bei dem etablierten Branchentreffen, das sich zur alljährlich bedeutendsten Veranstaltung für Themen, Tendenzen und Trends rund um Internetdomains im deutschsprachigen Raum entwickelt hat. Gemeinsam mit den Registrierungsstellen der Länderdomains von Österreich (nic.at) sowie der Schweiz und Liechtenstein (SWITCH) führt die DENIC eG, Betreiberin der deutschen Länderkennung .de, als diesmalige Ausrichterin die zweitägige Expertentagung Domain pulse im jährlichen Wechsel durch.
Das Internet als Gesellschaftsbetriebssystem
Zum Auftakt der Tagung am 13. Februar 2012 näherte sich Keynote-Speaker Prof. Dr. Gunter Dueck – Mathematiker und Zukunftsdenker – in einem philosophischen Diskurs dem Internet als „Gesellschaftsbetriebssystem“ an. Der ehemalige Chief Technology Officer der IBM Deutschland, als „Wild Duck" (Querdenker) oder im Netz als „Wilddueck" bekannt, skizzierte mit scharfsinnigen Beobachtungen die Anforderungen der Arbeitswelt von morgen. Immer mehr Erfahrung, Wissen und Kompetenz wandern in automatisierte Systeme. Was bleibt, sind Fantasie, Flexibilität, Neugier – und unsere professionelle Intelligenz, mit der wir sich stetig wandelnde Prozesse steuern und Probleme lösen. Seine Schlussfolgerung: Unsere professionelle Intelligenz, bei der das reine Fachwissen an Bedeutung verliert gegenüber den Kompetenzen Soft Skills, Handlungsstärke, Kreativität und Sinngebung,
entscheidet über unsere Zukunft. Dueck: „Entweder wir werden professionell, oder wir werden Teil halbautomatischer Workflows – in einem Niedriglohnjob. Der gute alte IQ steckt schon in den Maschinen drin.“
Quo vadis, Internet?
Wie die Landkarte des Internets in Zukunft aussehen und welche Determinanten hierbei eine Rolle spielen könnten, beleuchtete Markus Kummer, Vice President Public Policy der Internet Society (ISOC)
und zuvor leitender Koordinator im Sekretariat des Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen, anhand möglicher Entwicklungsszenarien und mahnte vor dem Hintergrund zunehmender Proteste gegen multistaatliche Initiativen wie ACTA (Anti-Counterfeitung Trade Agreement) an: „Politische
und wirtschaftliche Lobbyisten-Interessen hinter verschlossenen Türen ohne Einbeziehung der Internet-Community auszuhandeln ist ein Blueprint für Zensur. Nachhaltige Lösungen im Sinne von Good Practices können nur mit dem bewährten kollaborativen Bottom-Up-Modell des Internets entwickelt
werden.“
Plädoyer für freien Zugang
Welche Versäumnisse in den letzten Jahren dem zunehmenden Konzentrationsprozess globaler Internetkonzerne zu marktbeherrschenden Online-Oligopolen Vorschub geleistet haben und wie der monopolfreie Zugang zum digitalen Weltwissen noch immer gesichert werden kann, dazu gab Dr.
Wolfgang Sander-Beuermann vom SUMA-EV, Verein für freien Wissenszugang und Entwickler der deutschen Meta-Suchmaschine metager.de, konkrete Denkanstöße: „Google, Facebook und Co. wollen das Internetmonopoly spielen, bis die anderen bankrott sind. Es gibt aber schon heute eine ganze Menge Tricks, dies zu verhindern.“
Neue Tummelwiesen im Netz: Hype oder Hope?
Mit Spannung erwartet wurde schließlich die Podiumsdiskussion zu den neuen Top Level Domains (TLD), die einen Meinungsquerschnitt zu Aufbruchstimmung und Bedenken angesichts des erweiterten Namensraums im Internet bot: Inmitten der Bewerbungsphase – die oberste Internetverwaltungsorganisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) nimmt vom 12. Januar bis 12. April dieses Jahres Anträge für neue generische Internet-Adressendungen von Städten, Regionen, kommerziellen oder gemeinnützigen Initiativen entgegen – gewährte das Podium den Kongressbesuchern hochinteressante Einblicke in die Strategien und Aktivitäten verschiedener Bewerber und Betreiber, ließ aber auch Kritiker der Materie zu Wort kommen. Der Tenor: Gradmesser für den Erfolg einer neuen TLD werden nicht allein die Registrierungszahlen sein. Auch Nischen-TLDs mit identitätsstiftender Wirkung, die den Usern innovativen Service verknüpft mit hohem ideellem Wert bieten, haben gute Chancen, sich zu rechnen.
Der zweite Tag
Der Domain pulse 2012 wird am morgigen Dienstag, den 14. Februar 2012, fortgesetzt. Auf der Agenda stehen Ausblicke und Einblicke in Themen wie Netzregulierung und Zugangssperren, Vorratsdatenspeicherung
und politische Ansätze zum Schutz des Urheberrechts vor dem Hintergrund aktueller Abkommen und Gesetzesinitiativen in Europa und den USA (ACTA, SOPA, PIPA) und den jüngsten, dadurch ausgelösten Protesten im Web und auf der Straße. Es diskutieren Sachverständige der Enquêtekommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages mit Vertretern aus dem Direktorium der www.domainpulse.de. Dort lässt sich das Kongressgeschehen auch über eobersten Internetverwaltungsorganisation ICANN und Netzaktivisten aus dem politischen Umfeld.
Domain pulse live im Internet
Das Gesamtprogramm der Expertentagung mit sämtlichen Akteuren findet sich auf der Veranstaltungs- Website inen Livestream in Echtzeit verfolgen. Etwa eine Woche nach Veranstaltungsende werden Interessierten dort Livemitschnitte des Kongresses als Retrospektive zur Verfügung stehen.
Die DENIC eG
Die DENIC eG verwaltet als zentrale Registrierungsstelle die inzwischen mehr als 14,8 Millionen Domains unterhalb der Top Level Domain .de und stellt damit eine wesentliche Ressource für die Nutzer des Internets bereit. Mit der Mission, als neutraler und kompetenter Dienstleister für alle Domaininhaber und Internetnutzer zu agieren, legen mehr als 120 Mitarbeiter/innen den Grundstein dafür, dass deutsche Internetseiten und E-Mail-Adressen weltweit erreichbar sind. Die über 280 Mitglieder der Genossenschaft sind deutsche wie internationale Unternehmen aus dem IT-und TK-Bereich. Gemeinsam mit ihnen und anderen Kooperationspartnern setzt sich die DENIC für den sicheren Betrieb und die weltweite Weiterentwicklung des Internets ein. Sie arbeitet dabei ohne Gewinnerzielungsabsicht. Zu ihren Aufgaben gehört der Betrieb des automatischen elektronischen Registrierungssystems für die
Mitgliedsunternehmen der Genossenschaft, der Betrieb der Domain-Datenbank für die Top Level Domain .de und die deutsche ENUM-Domain (.9.4.e164.arpa), der Betrieb des Nameserverdienstes für die .de-Zone und die deutsche ENUM-Domain an derzeit 16 Standorten auf der ganzen Welt sowie die Mitgestaltung der organisatorischen und technischen Weiterentwicklung des Internets in Zusammenarbeit mit internationalen Gremien (z. B. ICANN, CENTR, IETF).
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