ICANN-Reform: Bei den Domainverwaltern überwiegen die Zweifel
Überwiegend pessimistisch gestimmt über die Aussichten der im vergangenen Dezember beschlossenen Reform der internationalen Internetverwaltung ICANN zeigten sich die Verwalter der nationalen Domain-Länderkürzel auf dem zweitägigen 4. Treffen des ICANN-Studienkreises am 3. und 4. Februar 2003 in Berlin. Etwa 150 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft waren der Einladung des NETCOM Instituts Leipzig und der deutschen Registrierungsstelle DENIC eG gefolgt, um über dort das Thema "Internet Governance 2003: ICANN in der Reform" zu diskutieren. DENIC-Vorstandsmitglied Sabine Dolderer sprach in ihrer Einleitung zur Tagung nach der langjährigen Diskussion mit ICANN ohne greifbare Ergebnisse von drei Jahren Stillstand. Dennoch sehe man sich weiter als Teil des ICANN-Prozesses, den man auch in Zukunft kritisch begleiten werden. Sie erneuerte ihre Forderung, ICANN solle sich auf ihre Kernaufgaben beschränken und sich bemühen, diese mit ganzer Kraft zu erfüllen. Dazu gehöre insbesondere die IANA-Funktion, also die Pflege der Kontaktdaten für die verschiedenen Top Level Domains und die Verteilung der IP-Adressen. Damit sei schon viel gewonnen.
Auch William Black von der britischen Registrierungsstelle Nominet zeigte sich von den Vorschlägen zur ICANN-Reform deprimiert. ICANN sei als Organisation immer noch zu kompliziert aufgebaut. Er plädierte daher für radikale Vereinfachungen und warf die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre, gänzlich neu zu beginnen. Dabei sollten zunächst die grundlegenden Bedürfnisse und Aufgaben definiert werden. Dann könne man daran gehen sich zu verständigen, wie diese mit dem geringsten strukturellen Aufwand zu befriedigen seien.
Marianne Wolfsgruber, Geschäftsführerin des europäischen Dachverbandes der Registrierungsstellen CENTR, konstatierte, das gegenseitige Vertrauen habe durch die Vorfälle der letzten Jahre stark gelitten. Sie äußerte jedoch die Hoffnung, dass mit der neuen Struktur auch neue Personen bei ICANN zum Zuge kommen und die "institutionelle Inzucht" ein Ende finde. Es sei von allen Seiten zu wenig miteinander gesprochen worden. Neue Köpfe könnten hier für einen Neustart des Gedankenaustausches sorgen, mit dem wieder ein neues Vertrauensverhältnis aufgebaut werden könne.
Vint Cerf, einer der "Väter des Internets" und derzeit Vorsitzender des ICANN-Direktoriums, betonte in seinem Vortrag insbesondere das Prinzip der Kooperation, welches er als extrem wichtig für das Funktionieren des Internets bezeichnete. Angewandt auf ICANN bedeute dies, dass alle Beteiligten stärker zusammenarbeiten und miteinander kommunizieren müssten, auch wenn sie außerhalb von ICANN miteinander in Konkurrenz stünden. Der neue ICANN-Präsident, der im Frühjahr seine Arbeit als Nachfolger von Stuart Lynn aufnehmen werde, stehe vor der gewaltigen Aufgabe, die verschiedenen Partner an einen Tisch zu bringen und die beschlossene Reform rasch umzusetzen. Es müsse allen Beteiligten klar sein, dass es leicht sei, Regeln aufzustellen, diese aber nur Sinn machen, wenn Sie auch tatsächlich angewandt werden können. Hier schloss er ausdrücklich auch die Vertreter der Regierungen mit ein.
Neben der Zusammenarbeit zwischen den Registrierungsstellen und ICANN war das durch die Strukturreform neu aufgekommene Konzept einer verstärkten Public Private Partnership ein weiteres beherrschendes Thema der Konferenz. Die auf der Veranstaltung anwesenden Vertreter der staatlichen Stellen äußerten sich auch bei dieser Gelegenheit wieder positiv über die Tätigkeit der DENIC. So wurde zwar betont, dass es durchaus ein öffentliches Interesse für die Belange der Domainverwaltung gebe. Die DENIC leiste jedoch gute Arbeit und führe die Domainregistrierung und -verwaltung schnell, kostengünstig, transparent und diskriminierungsfrei durch, erklärte Cara Schwarz-Schilling von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Dieser Einschätzung schloss sich auch Michael Leibrandt als Vertreter des Wirtschaftsministerium an.